Lesezeit: 6 Minuten | von Gabriela Meyer, 6.5.2022
Dresscodes: Modern-Life-Dressing
Wie Sie sich im Job angemessen kleiden – nicht nur als Frau!
Im Moment ist die Wahl der richtigen Kleidung ja nur halb so schwer wie sonst. Oben bewusst gewählt, unten Jogginghose – jedenfalls, wenn Sie gerade auch wieder im Homeoffice vor der Webcam sitzen. Aber auch im Offline-Büro mischen sich die Stile immer mehr. Da gucken unter der feinen Anzughose die Sneaker heraus, zum Jacket wird Jeans getragen und im Sommer darf es dann auch mal ein geblümtes luftiges Kleid sein, das Sie auch privat bei einer Gartenparty tragen würden.
Die Arbeitswelt ist legerer geworden. Schließlich liegen wir auch abends oft noch im Bett und beantworten auf dem Smartphone berufliche E-Mails. Oder wir treffen uns am Wochenende zum Arbeitsbrunch mit Kollegen. Die Grenzen verschwimmen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, und eben auch zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung.
Ein paar Regeln gelten aber weiterhin. Die sollten Sie nur ganz bewusst brechen, wie etwa Ratsmitglied Dr. Ijad Madisch, Gründer von Research Gate, der sich bei einem offiziellen Fotoshooting vor dem Kanzleramt ganz unkonventionell in kurzer Hose und roten Sneakern neben Anzugträger stellte.
Wie Sie sich im Berufsumfeld kleiden, ohne anzuecken und trotzdem nicht in der Gleichförmigkeit untergehen, dazu möchte ich Ihnen hier ein paar Tipps geben.
Kleiden Sie sich bewusst
Kleidung dient nicht nur dazu, uns warm zu halten und gewisse Körperpartien zu bedecken. Kleidung ist Sprache. Sie vermittelt eine Botschaft. Überlegen Sie sich also vor dem Kleiderschrank und dem Spiegel genau, was Sie vermitteln wollen.
Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Ich sehe unterwegs auf Reisen tausend Jeanshosen mit Anorak und Rucksack. Unzählige Menschen, die irgendwie cool und lässig gekleidet sein wollen, aber damit irgendwie doch alle gleich aussehen. Langweilig!
Bei Mode geht es darum, Sachen zu tragen, die einem stehen. – Vivienne Isabel Westwood
Dabei ist heute viel mehr erlaubt und möglich als noch vor einem Jahrzehnt. Umso bewusster sollten wir mit dieser Freiheit umgehen. Wir sollten uns fragen: Wie will ich wirken? Professionell, elegant, sexy, sportlich oder eine Mischung daraus? In welcher Kleidung fühle ich mich wohl und sicher? Welcher Stil steht mir? Welche Farben lassen mich vor der Kamera im Online-Meeting leuchten? Diese Fragen sollten wir uns beantworten und uns dann bewusst für ein Outfit entscheiden.
Eleganz ist das Gleichgewicht von Proportion, Emotion und Überraschung. – Valentino Garavani
Denken Sie immer daran: Kleidung kann Ihr Auftreten stärken oder von Ihnen als Person ablenken. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kleidung Ihr Wesen und das, was Sie mitteilen wollen, unterstreicht. So fühlen nicht nur Sie sich wohler, sondern Sie bringen auch anderen Menschen in Ihrer Umgebung durch Ihre Kleidung etwas Freude.
Finden Sie Ihren Stil
Um mich inspirieren zu lassen, lese ich Modezeitschriften und Blogs, scrolle durch Instagram und gehe mit offenen Augen durch Boutiquen und Kaufhäuser. Ungewöhnliche Outfits, poppige Farben, schlichte Eleganz, Mut zur Originalität, Lust an Kreativität oder auch bewusste Stilbrüche begeistern mich.
Mode ist der kürzeste Reflektor des Zeitgeistes, und der ist ein verdammt launischer Geselle. – Karl Lagerfeld
Mein Tipp: Drücken Sie Ihre Persönlichkeit über Ihre Kleidung stärker aus. Erlauben Sie sich einen unverwechselbaren Look als Visitenkarte. Privat, aber auch im Job. Es kann viel Spaß und glücklich machen, der eigenen Persönlichkeit sichtbar Ausdruck zu verleihen.
Achten Sie auf den Anlass
Unsere Kleidung zeigt, ob wir einen Anlass richtig verstanden haben. Knappe Hotpants, durchsichtiges Tops und Flipflops sind beim Dinner im Hotelrestaurant eher unpassend. Ballkleid oder Anzug können bei einer Sportveranstaltung zu elegant sein.
Bevor Sie auf ein Event, eine Party oder ein Date gehen, nehmen Sie sich Zeit für diese Fragen: Was gefällt mir? Wen werde ich treffen? Welche Erwartungen haben die anderen an mein Erscheinungsbild? Will ich dem entsprechen oder davon abweichen? Wie will ich wirken? Dann legen Sie los.
Mode sollte widerspiegeln, wer du bist, was du fühlst, und wo du hingehst. – Pharell Williams
Wählen Sie aus, welche Kleidungsstücke infrage kommen. Kombinieren Sie auch Altbekanntes einfach mal auf kreative Weise neu. Falls Sie das alles überfordert, nehmen Sie eine stilbewusste Freundin mit zum Einkaufen. Die Lederjacke zum Kleid, das Basecap zum Anzug? Warum nicht? Wagen Sie einen Stilbruch, der zum Anlass passt.
Seien Sie mutig
Probieren Sie einmal Kleidungsstücke an, nach denen Sie normalerweise nicht greifen würden. Sie werden überrascht sein, was Ihnen alles steht. Und wie sich Neues mit der Kleidung kombinieren lässt, die Sie vielleicht bisher gewohnt sind.
Mode ist die Synthese aus Wissen und Ausprobieren. – Vivienne Isabel Westwood
Gehen Sie auch in Geschäfte, in denen Sie noch nie waren. Haben Sie schon einmal einen Vintage-Laden ausprobiert? Oder einen ausgefallenen Designerladen wie Herr von Eden in Berlin, Lars Women in Bremen oder Musswessels in Hamburg.
Oder klicken Sie sich durch die unzähligen Onlineangebote. Bei Outfittery stellen Stylisten individuelle Outfits zusammen und schicken Sie zu Ihnen nach Hause. Bei Farfetch finden Sie Luxusmode nach Anlässen sortiert. Und bei Myonbelle gibt es Fashion-Boxen per Flatrate ins Haus geliefert.
Erlauben Sie sich Feminität
Manche Frauen scheinen ihre Weiblichkeit verstecken zu wollen. Sie fühlen sich unwohl. Gerade im Beruf. So versuchen sie, mit möglichst männlicher Kleidung, gedeckten Farben und Hosenanzügen Souveränität ausdrücken zu wollen. Dabei wirkt es eher angepasst und unkreativ.
Nach einem Vortrag kam einmal eine junge Journalistin zu mir und bewunderte mich dafür, dass ich bei einem Vortrag Pumps, roten Nagellack und Kreolen trug. Ich habe trotzdem kompetent gewirkt. So ein Feedback habe ich tatsächlich öfter von Frauen bekommen. Als seien Weiblichkeit und Kompetenz ein Widerspruch. Das sollten sie nicht mehr sein, wir leben immerhin in 2022!
Sei deinem eigenen Geschmack treu, denn nichts, was Du wirklich magst, wird jemals aus der Mode kommen. – Billy Baldwin
Denken Sie daran: Unsere Kleidung spricht. Wir wollen gesehen und gehört werden und nicht aussagen, dass wir uns als Frauen gut als Männer verkleiden können. Sie werden sowieso als Frau wahrgenommen, auch im dunklen Hosenanzug. Unterstreichen Sie also lieber Ihre Weiblichkeit, zeigen Sie, was Sie an sich lieben – das gibt Ihnen eine atemberaubende Ausstrahlung.
Achten Sie auf Trends, übernehmen Sie, was Ihnen daran gefällt und entwickeln Sie daraus Ihren eigenen Stil. Als Frau haben Sie viel mehr modischen Spielraum als Männer. Nutzen Sie das aus und spielen Sie damit!
I never wanted to play sensational parts, or those of desirable women. I wanted to play me… the independent fighter. – Irene Papas
Ich liebe diesen Moment, in einen Raum mit einem flaschengrünen, schwingenden Kleid zu kommen. Für einen kurzen Moment werden die Gespräche leiser und ein Lächeln huscht über manches Gesicht. Schöne Kleidung strahlt Freude und Lebensmut aus. Das steckt an. Kleidung sollte uns glücklich machen. Und freut dann auch die Menschen in unserer Umgebung.
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Weitere Informationen:
Mehr zu Modern Life Dressing gibt es in meinem Buch „Modern Life Etikette. Moderne Umgangsformen, erfolgreiche Selbstpräsentation und digitale Etikette“.
Im Gentleman-Blog von Autor und Stilberater Bernhard Roetzel finden Sie Interviews und Beiträge zu Männermode, Stil, Persönlichkeit und mehr.
„Deutschlands glamouröseste Professorin“, Barbara Vinken, sagt, Mode sei eigentlich immer die Kunst, Regeln zu überschreiten und zu verdrehen. Hier geht es zu einem Gespräch mit ihr auf Bremen zwei.