Lesezeit: 6 Minuten | von Gabriela Meyer
Augen auf und Mikro aus – gutes Benehmen im Videocall
10 Tipps, wie Sie garantiert einen guten Eindruck machen
Innerhalb von zwei Jahren hat sich signifikant verändert, wie wir kommunizieren. Wir sind nicht mehr im selben Raum und nur eine Armlänge voneinander entfernt, wenn wir miteinander sprechen und Verbindungen aufbauen. Jetzt schauen wir in eine Kamera und sehen uns dabei selbst. Das ist für viele von uns neu und sorgt für Stress.
Doch Onlinekonferenzen und Videocalls werden uns nicht wieder verlassen. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Virtuelle und hybride Meetings, bestehend aus Remote- und Vor-Ort-Teilnehmern, werden auch nach Corona zu unserem Arbeitsalltag gehören.
Manche Menschen in Büro und Homeoffice, Seminarteilnehmende und TrainerInnen, Großeltern und Enkelkinder haben inzwischen Gefallen daran gefunden, die Distanz mit Smartphone und Computer zu überbrücken. Nur leider vergessen manche dabei ihr gutes Benehmen – meistens sind es nicht die (Enkel-)Kinder.
Doch worauf sollten Sie achten, damit der nächste Videocall reibungslos verläuft und sich alle im virtuellen Raum wohlfühlen? Wie nehmen Sie Menschen für sich ein und zeigen, dass Sie digital professionell auftreten könnnen? Aufbauend auf Jahren intensiver Arbeit in unzähligen Online-Seminaren, Workshops mit großen Gruppen, Beratungen und durch teilhabende Beobachtung habe ich nachstehend die wichtigsten Tipps für Sie zusammengetragen und aufgeschrieben.
Auch ein Online-Call ist ein Gespräch mit echten Menschen, nicht mit Avataren.
1. Grundsätzlich gilt: Auch ein Online-Call ist ein Gespräch mit echten Menschen, nicht mit Avataren. Denken Sie immer daran, solange Kamera und Mikrofon angeschaltet sind. Schauen Sie sich um und fragen Sie sich: Wer würde sich über ein freundliches, nettes Wort freuen? Ist es wirklich höflich und respektvoll, wenn ich in einer überschaubaren Gruppe meine Kamera anschalte? Auch im realen Leben können wir uns gegenseitig sehen. Zeigen Sie Gesicht! Und trauen Sie sich, das Anschalten der Kameras einzufordern.
2. Räumen Sie ein bisschen auf. Würden Sie Ihre Kollegen oder Kunden zuhause empfangen, wenn auf dem Sofa Berge von Bügelwäsche liegen oder gerade Dübelarbeiten in Ihrem Wohnzimmer stattfinden? Wohl eher nicht. Auch wenn es verlockend ist, alles entspannt anzugehen. Besser: Räumen Sie den Ausschnitt Ihrer Wohnung auf, der auf dem Bildschirm zu sehen ist.
Räumen Sie den Ausschnitt Ihrer Wohnung auf, der auf dem Bildschirm zu sehen ist.
Schicken Sie nach Möglichkeit alle aus dem Zimmer, die nicht aktiv zum Videocall beitragen. Als Dozentin sah ich bei Online-Trainings immer wieder mal dabei zu, wie Umzugshelfer im Hintergrund die Wohnung leer räumten. Es lenkt ab. Genau wie Wäscheständer.
Ein möglichst ruhiger, ästhetischer Hintergrund ist hilfreich.
Damit Ihre GesprächspartnerInnen sich also ganz auf Sie konzentrieren können, ohne Ablenkung, ist ein möglichst ruhiger, ästhetischer Hintergrund hilfreich. Das kann eine weiße Wand sein, ein schönes Bild, ein aufgeräumtes Bücherregal oder der Blick ins Wohnzimmer. Falls Sie keinen passenden Hintergrund haben, die Unordnung verstecken oder eine besondere Stimmung ausdrücken möchten, wählen Sie einen virtuellen Background. Das ist heute bei Zoom & Co möglich.
Eine Lösung sind Stellwände. Ein zusammenklappbares, platzsparendes Modell bekommen Sie z. B. bei www.banner-channel.de.
Greenscreens gibt es bei Thomann.
Videokonferenzen ohne Licht haben etwas von Geisterbahn.
3. Lassen Sie Licht herein! Würden Sie Ihre Freunde nach Feierabend zu sich einladen und alle Lampen ausschalten? Sie würden im Dunkeln wichtige nonverbale Nuancen des Gesprächs nicht sehen können. Abgesehen davon hätte diese Atmosphäre etwas von einer Geisterbahn.
Damit dieser Eindruck erst gar nicht entsteht, schalten Sie auch in virtuellen Räumen immer das Licht an, sodass man Sie gut erkennt. Da viele Laptop- und Handykameras nicht besonders lichtstark sind, müssen Sie für stärkere Beleuchtung sorgen, als Sie sie vielleicht normalerweise einschalten. Das bedeutet: Deckenlampe und Schreibtischlampe an. Noch besser: Besorgen Sie sich ein Ringlicht oder Beleuchtungsset.
Das Licht sollten Sie so ausrichten, dass Ihr Gesicht komplett ausgeleuchtet ist.
Das Licht sollten Sie so ausrichten, dass Ihr Gesicht komplett ausgeleuchtet ist. Testen Sie am besten vor dem Call, ob man Sie gut sehen kann.
Protipp: Sitzen Sie nicht mit dem Rücken zum Fenster. Es ist nicht nur wenig schmeichelhaft, sondern kann die anderen Teilnehmenden blenden.
Bringen Sie Licht mit!
4. Begrüßen Sie einander freundlich. Die Gastgeberin begrüßt alle Teilnehmenden. Wenn die Runde zum ersten Mal in dieser Konstellation zusammenkommt und es die Zeit zulässt, stellen sich alle kurz vor. Bei einer Vorstellungsrunde geht es nicht nur darum, dass alle die Namen der anderen kennen.
Es geht vor allem auch darum, eine Verbindung zueinander herzustellen, Vertrauen aufzubauen und sich wohlzufühlen.
Bedenken Sie: Der Mechanismus des ersten Eindrucks funktioniert im virtuellen Raum anders. Viele haptische und sinnliche Eindrücke fallen weg. Wir müssen uns online viel mehr anstrengen, um Emotionen zu wecken und Vertrauen aufzubauen.
Wir müssen uns online viel mehr anstrengen, um Emotionen zu wecken und Vertrauen aufzubauen.
Falls es nicht genug Zeit gibt für eine persönliche Vorstellungsrunde, schreiben Sie einen kurzen Gruß in das Chatfenster, zum Beispiel: „Hallo aus Bremen!“ oder „Servus aus München. Ich freue mich dabei zu sein!“
5. Halten Sie Blickkontakt. Warum? Weggucken sieht man! So wie es während eines Meetings im Büro oder während eines Vortrags unhöflich ist, die ganze Zeit aufs Smartphone zu starren, sollten Sie auch während eines Videocalls bei der Sache sein.
Schenken Sie anderen Menschen ein Lächeln.
Freundlichkeit und Aufmerksamkeit bereichern jedes Treffen – online wie offline. Nebenbeschäftigungen wie Stricken, Kreuzworträtseln oder Essen kochen, verlegen Sie am besten auf die Zeit nach dem Call.
Auch wenn es schwerfällt: Achten Sie beim Sprechen darauf, direkt in die Linse der Kamera zu schauen. So gewinnen Sie Präsenz und bauen eine Verbindung zu Ihren Zuschauern oder Ihrem Gegenüber auf.
6. Schalten Sie das Mikrofon aus. Wir kennen alle Videokonferenzen, wo es von anderen Teilnehmern störende Hintergrundgeräusche zu hören gibt. Betreten Sie Online-Meetings grundsätzlich zunächst mit stumm geschalteten Mikro.
Auch wenn Sie gerade nicht selbst reden, stellen Sie Ihr Mikrofon auf „mute“. Damit die anderen Teilnehmenden nicht abgelenkt werden und Ihr Bild plötzlich auf den Screen springt, nur weil Ihre Wellensittiche ein Liedchen singen, um den Tag zu begrüßen.
Sprechen Sie selbst, sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Zimmer auch wirklich nur Sie sprechen. Damit es Ihnen nicht geht wie einer meiner Teilnehmerinnen, die ich bitten musste, in einen anderen Raum zu wechseln. Direkt neben ihr sitzend verkaufte ihr Mann, ein Landwirt, mehr als engagiert Kühe und Schweine in einer Online-Auktion.
7. Duzen Sie nicht jeden immer einfach so. Auch wenn Menschen sich einander online manchmal näher fühlen als offline, starten Sie zunächst beim „Sie“, wenn Sie andere Personen im Videocall noch nicht kennen.
Platzen Sie nicht herein mit „Ich duze jeden und mir ist es egal, ob es passt oder nicht!“
Platzen Sie nicht herein mit „Ich duze jeden. So bin ich. Mir ist es egal, ob es passt oder nicht!“ Auch wenn sich Zeiten und Anreden ändern. Nicht jedem gefällt das vertrauliche Du. Wenn ich als Gastgeberin im virtuellen Raum nach der Begrüßung das Gefühl habe, dass sich alle mit einem „Du“ wohlfühlen würden, frage ich in die Runde. Sind alle einverstanden, dann wird gerne geduzt.
8. Haben Sie Geduld – und strapazieren Sie nicht die der anderen. Auch in Video-Calls gilt die übliche Gesprächsetikette: andere ausreden lassen und zuhören.
Auch in Video-Calls gilt die übliche Gesprächsetikette: andere ausreden lassen.
Wer etwas sagen möchte, meldet sich zum Beispiel mit dem „Hand hoch“-Button. Wer das Wort hat, fasst sich kurz. Viele Menschen können sich nicht lange auf ausufernde Beiträge konzentrieren, die sie zudem nur auf einem kleinen Bildschirm sehen. Möchten Sie also gehört werden und andere nicht langweilen, vermeiden Sie ausschweifende, langatmige Erklärungen. So bleibt es für alle spannend und auch andere kommen zu Wort.
9. Bleiben Sie höflich – auch im Chat. Die meisten Programme für Video-Calls bieten die Möglichkeit, sich dort nebenbei auszutauschen. War es Ihnen auch schon mal schrecklich unangenehm, wie Vortragsteilnehmende den Redner neunmalklug im Chat kritisierten oder permanent in den Kommentaren verbesserten?
Wie schlecht muss sich erst der Vortragende gefühlt haben. Auf die Kritiker wirft solch ein Verhalten selten ein gutes Licht – schließlich steht der- oder diejenige mit vollem Namen und oft auch mit dem Firmennamen im Chat.
Protipp: Egal, wie schlau sie sind oder was Sie alles wissen. Vergessen Sie nie ein „Danke!“ Bedanken Sie sich nach einem Online-Vortrag bei dem Expertin, der Spezialistin oder dem Gastgeber. Es lässt Sie gescheit, weltoffen und elegant aussehen.
Essen und trinken Sie nicht in Großaufnahme vor der Kamera. Würden Sie herzhaft in ihr Zwiebel-Mettbrötchen beißen, während alle anderen in der Runde leer ausgehen? Oder während eines Business-Meetings aus der Flasche trinken? Wenn das Bild nicht das Image ist, das Sie pflegen möchten, dann beißen Sie lieber in der Pause, vor oder nach dem Call ab. Und heben Sie sich den genießerischen Schluck direkt aus der Flasche für den Feierabend auf.
Protipp: Gönnen Sie sich ein schickes Glas oder Trinkgefäß. Es will Ihnen auch nicht jeder in einem Business-Seminar dabei zuschauen, wie Sie sich Ihre Beine eincremen.
10. Nutzen Sie Zauberwörter wie „Auf Wiedersehen!“ und „Danke“. Selbst wenn wir alle in unseren eigenen Räumen sitzen und manchmal sogar Länder und Ozeane zwischen uns liegen, verbringen wir doch Zeit miteinander, sind uns etwas nähergekommen – und sollten diese Begegnung auch gemeinsam beenden.
Verschwinden Sie nicht wortlos aus dem Call ohne jegliche Anerkennung für die Organisation, sondern verabschieden und bedanken Sie sich. Nach einem Vortrag oder einem Seminar freut sich die Rednerin, der Trainer oder das Team über ein „Dankeschön“.
Mit etwas Wärme bei der Verabschiedung fallen Sie garantiert positiv auf. Und bleiben unvergesslich.
Eine Ergänzung an GastgeberInnen: Erscheinen Sie ca. 10 Minuten vor Beginn des Online-Calls, checken Sie, ob die Technik funktioniert und der Trainer, Sprecher oder die Rednerin vielleicht noch Fragen hat. Wenn der Call dann beginnt, informieren Sie die Runde nach einer herzlichen und fröhlichen Begrüßung über Inhalt und Ablauf.
Und so fühlen wir uns alle etwas näher und gern gesehen, auch wenn wir Abstand halten müssen.
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In diesem Artikel des GQ Magazins finden Sie 5 Regeln, die insbesondere Vorgesetzte für die nächste Zoom-Konferenz beachten sollten sowie einen Verweis auf eine interessante Stanford-Studie.